Kooperationstraining für Angst-Hunde

So hilfst du deinem Hund, seine Angst zu überwinden.

Viele Hunde, vor allem solche aus dem Tierschutz, sind traumatisiert oder depriviert, weil sie in einer reizarmen Umgebung aufgewachsen sind. Das äußert sich durch ganz unterschiedliche Ängste.

Viele haben Probleme bei Begegnungen mit Menschen oder Artgenossen. Auch ganz alltägliche Situationen wirken auf einige Hunde bedrohlich. Sie haben Angst davor ins Auto zu steigen, Treppen zu gehen, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten oder durch Türen zu treten. Viele Hunde möchten auch einfach nicht angefasst werden.

Das Leben mit einem Angst-Hund ist für die Besitzer oft eine große Herausforderung.

Ihre Angst drücken solche Hunde auf ganz unterschiedliche Weise aus. Zunächst einmal versuchen die meisten der Situation zu entfliehen. Ist ihnen das nicht möglich, zeigen die Einen Aggression über Knurren, Bellen, Schnappen oder gezieltes Beißen. Die Anderen erstarren und ergeben sich ihrem Schicksal.

Was die Situation zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass Angst-Hunde oft kein oder nur ungern Futter aus der Hand annehmen. Wie also soll man mit solchen Hunden arbeiten?

Manch einer ist nun der Meinung, dass man diese Hunde “einfach zu ihrem Glück zwingen muss”. Sie werden auf den Schoß genommen und müssen die Nähe zu einem Menschen aushalten. Hunde, die nicht aggressiv reagieren, machen den Anschein, dass diese Methode zum Ziel führt. Aber wie sieht dieses Ziel aus?

Dazu muss man sich erst einmal klar machen, was man hier eigentlich tut.

Diese Methode, mit der man das Tier “einfach zu seinem Glück zwingt”, nennt man Flooding. Flooding wird auch in der Human-Psychotherapie bei Menschen mit starken Ängsten angewendet. Soweit passt es ja…

 

Flooding gehört nur in fachkundige Hände

Für die Anwendung beim Menschen müssen drei wichtige Voraussetzungen gegeben sein:

  1. Eine detaillierte Vorbereitung und Aufklärung des Patienten. Dieser muss außerdem im Vorfeld seine Einwilligung zur Anwendung des Flooding als Therapie schriftlich abgeben.
  2. Zwischen Patient und Therapeut muss ein absolutes Vertrauensverhältnis bestehen.
  3. Die Durchführung dieser Therapiemethode ist nur speziell geschulten Therapeuten vorbehalten. Damit das Flooding erfolgreich ist, darf es erst abgebrochen werden, wenn der Patient keine Angst vor der Situation mehr empfindet. Ansonsten kann es mehr Schaden anrichten, als es nützt. Es geht also nicht darum, dass der Patient keine Reaktion mehr zeigt, sondern, dass er keine Angst mehr empfindet.

 

All diese Vorraussetzungen sind normalerweise bei der Therapie von unseren Angst-Hunden nicht gegeben.

Sie haben in der Regel keine Vertrauensperson. Und wenn, dann ist sie meist nicht entsprechend geschult, um die Therapie-Situation richtig einschätzen zu können.

Außerdem haben wir den Tieren im Vorfeld nicht erklärt, was mit ihnen passiert. Geschweige denn, dass sie uns ihre Einwilligung gegeben haben.

 

Was lernt ein Tier bei falsch angewendetem Flooding?

In der Regel fallen sie in eine sogenannte erlernte Hilflosigkeit. Das bedeutet, sie lernen, dass sie keine Kontrolle über die Situation haben, in der sie sich befinden. Sie lernen, das sie erst Ruhe finden, wenn sie sich völlig aufgeben.

 

Welche Alternative habe ich?

In der Human-Psychologie wenden vor allem Selbsthilfegruppen die gestufte Reizkonfrontation an. Hierbei wird der Patient immer so weit in eine angstauslösende Situation geführt, wie er sie auch bewältigen kann. Der Patient lernt also Schritt für Schritt immer mehr auszuhalten. Er kann mit entscheiden, wie weit er gehen möchte. So wird er unter Anleitung immer weiter in die Situation geführt. Er lernt sich Schritt für Schritt der angstauslösenden Situationen zu stellen und nicht davor weg zu laufen.

Dieser Weg ist auch mit unseren Tieren möglich. Sie müssen selbst entscheiden können, wie weit sie sich in die bedrohliche Situation begeben möchte.

Es entsteht ein Miteinander von Mensch und Tier, in dem Vertrauen wachsen kann. Ganz ohne Zwang.

 

Das Kooperationstraining macht es möglich

Hierzu müssen zwischen Mensch und Tier ganz klare und leicht verständliche Regeln aufgestellt werden.

Dem Tier wird mit dem Kooperationstraining die Möglichkeit gegeben, sich verständlich zu machen. Der Mensch lernt, die Bedürfnisse des Tieres zu erkennen und zu respektieren.

Das Kooperationstraining arbeitet mit Targets. Es kommen je nach Situation unterschiedliche Targets zum Einsatz.

Ein einfacher Einstieg ins Kooperationstraining ist die Target-Matte oder der Target-Hocker. Das Tier lernt sich mit beiden Vorderpfoten auf eine Matte zu stellen. Dafür wird es belohnt. In der Regel arbeitet man anfangs mit Futter.

Solange das Tier dort steht, ist es zur Mitarbeit bereit. Wird ihm die Situation zu viel, darf es die Matte verlassen.

So lernen Mensch und Tier aufeinander zu achten.

 

Dein Tier nimmt kein Futter

Was nun, wenn dein Tier kein Futter aus der Hand nimmt?

Sorge dafür, dass dein Tier in Ruhe und ohne Angst sein tägliches Futter zu sich nehmen kann. Wenn es sein muss auch alleine im Stillen. Das Wichtigste ist, dass es deinem Tier dabei gut geht.

Die Futterschüssel platzierst du nun so, dass dein Tier während des Fressens auf der Target-Matte steht. Du hilfst deinem Tier außerdem, wenn der Futterort anfangs immer der selbe ist. Also z.B. in der Küche an einer ruhigen Stelle.

Nach dem Fressen räumst du Futterschüssel und die Target-Matte bitte weg. Die Target-Matte ist nur da, wenn das Tier auf ihr stehend frisst.

 

Die Target-Matte wird positiv konditioniert

Mit jedem Fressen wird so die Matte positiv besetzt. Nach einiger Zeit wirst du feststellen, dass dein Tier sich vielleicht schon auf die Matte stellt, wenn du diese auf den Boden legst. Dort wartet es dann ganz ungeduldig auf die Schüssel.

Oder es frisst dir sogar freudig aus der Hand, wenn es auf der Matte stehen darf.

Jetzt kannst du anfangen die Matte an unterschiedliche Orte zu legen. Wichtig ist immer noch, dass dein Tier sich an diesen Orten wohl fühlt.

Wenn dein Tier dann an unterschiedlichen Orten Futter aus der Hand nehmen kann, und sei es nur auf der Target-Matte stehend, seit ihr bereit mit dem Kooperationstraining zu beginnen.

 

Seminare zum Kooperationstraining findest du hier:

 

Nicole Stein

Tierärztin mit der Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie